Behandlungsstrategien nach einem Schlaganfall: Ein Leitfaden
Aktualisiert Montag, 28. Oktober 2024 um 11:39 | 7 Minuten gelesen
Ein Schlaganfall (Apoplex) ist ein absoluter Notfall, bei dem jede Sekunde zählt. Je früher und effizienter die Betroffenen behandelt werden, desto weniger Gehirnzellen gehen verloren und umso besser lassen sich die Schäden in Grenzen halten. Erfreulicherweise stehen für Schlaganfallpatienten mittlerweile effektive Behandlungs- und Rehabilitationsmaßnahmen zur Verfügung. Welche Schlaganfall-Therapien jeweils zur Anwendung kommen, hängt unter anderem von der Form und dem Ausmaß des Hirnschlags sowie von der seit dem erstmaligen Auftreten der Symptome vergangenen Zeit ab.
Hier geben wir Ihnen einen Überblick über die Schlaganfall-Behandlung, angefangen von der Ersten Hilfe bis hin zur Rehabilitation. Darüber hinaus informieren wir über nötige Lebensstiländerungen und Maßnahmen zur Prävention.
Inhalt:
Sofortmaßnahmen nach einem Schlaganfall Medikamentöse und interventionelle BehandlungRehabilitation und PhysiotherapieSprachtherapie und kognitive RehabilitationLebensstiländerungen und sekundäre Prävention Fazit: Gezielte Behandlung und Rehabilitation erhöhen die Lebensqualität nach einem SchlaganfallSofortmaßnahmen nach einem Schlaganfall
Bei Verdacht auf einen Schlaganfall muss sofort der Rettungsdienst alarmiert werden. Erst im Krankenhaus lässt sich mit Sicherheit feststellen, ob der Betroffene einen Hirnschlag erlitten hat, was die Ursachen sind und wie die weitere Schlaganfall-Behandlung erfolgen soll.
Warnzeichen für einen Schlaganfall sind unter anderem:
• ein plötzliches Gefühl der Schwäche, Taubheit oder Lähmung einer Körperhälfte
• Sehstörungen wie verschwommenes Sehen, Doppelbilder oder Sehverlust auf einem Auge
• Sprachschwierigkeiten
• starke einseitige Kopfschmerzen
• plötzlicher Schwindel mit Gangunsicherheit
• Übelkeit und Erbrechen 1
Mit dem sogenannten FAST-Test können auch Laien überprüfen, ob die Symptome Anzeichen für einen Schlaganfall sind. Die Buchstaben stehen für:
• Face (Gesicht): Fordern Sie den Betroffenen auf zu lächeln, die Stirn zu runzeln und die Augen zu schließen. Hängt ein Mundwinkel herab oder ist das Runzeln der Stirn bzw. der Lidschluss (meist einseitig) nicht möglich bzw. abgeschwächt, deutet das auf einen Schlaganfall hin.
• Arms (Arme): Der Patient soll die Arme nach vorn strecken mit nach oben gedrehten Handflächen und diese Position für 30 Sekunden halten. Ist er dazu nicht in der Lage (Absinken eines Arms), ist ein Schlaganfall wahrscheinlich.
• Speech (Sprache): Bitten Sie den Betroffenen, einen einfachen Satz nachzusprechen. Kann er das nicht oder klingt die Sprache verwaschen, ist das ebenfalls ein Hinweis auf einen Schlaganfall.
• Time (Zeit): Trifft auch nur einer der ersten drei Punkte zu, gilt es, keine Zeit zu verlieren. Wählen Sie sofort die 112 und bleiben Sie bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes vor Ort. Je schneller Sie handeln, desto besser sind die Chancen auf Therapieerfolg. 2
Medikamentöse und interventionelle Behandlung
Im Idealfall werden die Patienten in speziellen klinischen Schlaganfall-Stationen, sogenannten Stroke Units, behandelt, da diese die weitreichendsten Therapieoptionen bieten. Um festzustellen, ob es sich um einen Hirninfarkt aufgrund einer Durchblutungsstörung des Gehirns (ischämischer Schlaganfall) oder um eine Hirnblutung (hämorrhagischer Schlaganfall) handelt, wird in der Regel sofort nach der Einlieferung eine Computertomographie (CT) oder seltener eine Magnetresonanztomographie (MRT) durchgeführt.
Bei einem Hirninfarkt versuchen die Mediziner das Blutgerinnsel in der Regel mittels Medikamenten aufzulösen (Thrombolyse, auch: Lyse-Therapie). Das Zeitfenster hierfür beträgt viereinhalb Stunden nach Symptombeginn. Falls das Gerinnsel in gut zugänglichen Gefäßabschnitten sitzt, kann (zusätzlich oder stattdessen) die sogenannte Thrombektomie zur Anwendung kommen. Bei dieser Form der Schlaganfall-Behandlung wird die Durchblutung mechanisch wiederhergestellt, indem der Arzt den Blutpfropf im Gefäß mithilfe eines Katheters entfernt. Dieses Verfahren kann bei zugänglichen Thromben bis etwa sechs Stunden nach Symptombeginn und auch bei Kontraindikationen gegen die Thrombolyse zur Anwendung kommen.
Beim hämorrhagischen Schlaganfall geht es darum, die Blutung zum Stillstand zu bringen und negative Folgen durch Einblutungen in das Gehirngewebe zu vermeiden. Die konservative Therapie besteht darin, einen erhöhten Blutdruck zu senken und bei Bedarf die Gerinnungsfähigkeit des Blutes zu normalisieren. Bei größeren Hirnblutungen kann eine Operation erforderlich sein, um den Druck im Gehirn zu reduzieren. 3,4
Rehabilitation und Physiotherapie
Die Rehabilitation in Rehakliniken und ambulanten Einrichtungen dient als Teil der Schlaganfall-Behandlung dazu, die gestörten oder verloren gegangenen Funktionen möglichst weit zurückzugewinnen. Hierfür ist eine fachkompetente Betreuung durch geschulte Therapeuten essenziell. Je früher die Reha beginnt, desto besser wirkt sich das auf die Entwicklung der Störungen und Einschränkungen aus.
In Deutschland erfolgt die rehabilitative Behandlung nach einem Schlaganfall gemäß dem Phasenmodell der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation. Dieses umfasst folgende Phasen:
• Phase A: Erste Rehabilitationsmaßnahmen finden bereits in der Stroke Unit statt.
• Phase B: Die neurologische Frührehabilitation im Krankenhaus dient dazu, das Bewusstsein und die Kommunikation zu verbessern sowie mit der Mobilisierung zu beginnen und Sekundärkomplikationen zu vermeiden.
• Phase C: In der weiterführenden Rehabilitation liegt der Fokus auf dem Wiedererlangen der Eigenständigkeit bei Aktivitäten des alltäglichen Lebens, ggf. mit Hilfsmitteln.
• Phase D: Die sogenannte Anschlussbehandlung hat zum Ziel, die Alltagskompetenz und ein weitgehend selbstständiges Leben des Patienten zu erzielen.
• Phase E: Im Rahmen der medizinisch-beruflichen Rehabilitation geht es darum, die bereits erreichten Erfolge zu sichern und eine vollständige Teilhabe im sowie die Wiedereingliederung ins Arbeitsleben zu erwirken.
• Phase F: Hierbei handelt es sich um die Betreuungs- und Erhaltungsphase für Patienten, die dauerhaft auf unterstützende Leistungen (Langzeitpflege) angewiesen sind.
Je nach Bedürfnissen des Patienten greifen die Phasen teilweise ineinander oder werden nur zum Teil genutzt. 5,6
Das wichtigste Element der rehabilitativen Schlaganfall-Behandlung ist die Physiotherapie, die mit gezielten Übungen, Methoden und Techniken versucht, die motorischen Fähigkeiten zu verbessern. Aktive und passive Bewegungsübungen können hierbei ebenso zur Anwendung kommen wie Gleichgewichtstraining, Gangtraining, Elektrostimulation, funktionelles Mobilitätstraining oder das Trainieren des Umgangs mit Hilfsmitteln wie Gehhilfen, Stöcken oder Rollstühlen. 7
Sprachtherapie und kognitive Rehabilitation
Etwa ein Drittel der Betroffenen haben nach Schlaganfällen Sprachstörungen. 8,9 Mithilfe der Sprachtherapie können diese Defizite reduziert oder sogar behoben werden. Je nach Art der Störung kann diese Schlaganfall-Behandlung die Bereiche Sprechen, Verstehen, Lesen und Schreiben einschließen. Darüber hinaus helfen Logopäden bei gestörtem Atemrhythmus und Schluckstörungen.
Hinterlässt der Hirnschlag kognitive Schwächen wie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen oder Kommunikationsstörungen (z. B. konfuses Reden), kann eine kognitive Rehabilitation Teil der Schlaganfall-Behandlung sein. Die Gestaltung der Therapien richtet sich nach dem Schweregrad der Beeinträchtigten sowie nach der Belastbarkeit der Patientin oder des Patienten. 7
Lebensstiländerungen und sekundäre Prävention
Etwa jeder achte Schlaganfall-Patient erleidet innerhalb von fünf Jahren einen weiteren Hirnschlag. 10 Dieses Risiko lässt sich durch eine Anpassung des Lebensstils reduzieren. Hierzu gehören in erster Linie:
• eine ausgewogene Ernährung
• regelmäßige körperliche Aktivität
• wenig Alkohol
• Nikotinverzicht
Zudem gibt es Medikamente, die das Risiko für einen weiteren Schlaganfall reduzieren und daher zur sogenannten Sekundärprävention eingenommen werden sollten und niemals ohne Rücksprache mit dem behandelnden Mediziner abgesetzt werden sollten. Außerdem ist eine Behandlung bestehender Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wichtig (insb. Vorhofflimmern, Diabetes, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen).
Weitere Aspekte für eine gezielte Schlaganfallprävention sind psychosoziale Faktoren und das Schlafverhalten. Zum Beispiel erhöht das Schlafapnoe-Syndrom das Risiko für einen Hirnschlag und sollte daher ebenfalls behandelt werden. 7,11
Fazit: Gezielte Behandlung und Rehabilitation erhöhen die Lebensqualität nach einem Schlaganfall
Bei einem Schlaganfall handelt es sich um einen hochgradig zeitkritischen medizinischen Notfall, der weitreichende Folgen nach sich ziehen kann. Rasches Handeln ist daher unabdingbar. Mit einer frühzeitig einsetzenden, ausreichend langen und konsequent durchgeführten Schlaganfall-Behandlung steigen die Chancen, Folgeschäden zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren. Eine schnelle Reaktion der Ersthelfer ist dabei ebenso von Bedeutung wie die sofortige Akutbehandlung im Krankenhaus, eine fortwährende Rehabilitation und eine umfassende Nachsorge, einschließlich der Sekundärprävention.
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Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Informationen und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.
LITERATURANGABEN
1 https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Schlaganfall-Symptome-erkennen-und-Ursachen-behandeln,schlaganfall178.html
2 https://www.viactiv.de/wissen/was-ist-der-fast-test-beim-schlaganfall
3 https://schlaganfallbegleitung.de/wissen/schlaganfall-behandlung
4 https://register.awmf.org/assets/guidelines/030-046k_S2e_Akuttherapie-des-ischaemischen-Schlaganfalls_2022-11.pdf
5 https://schlaganfallbegleitung.de/nachsorge/rehabilitation
6 Empfehlungen zur Neurologischen Rehabilitation von Patienten mit schweren und schwersten Hirnschädigungen in den Phasen B und C, Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, 1995. https://www.bar-frankfurt.de/fileadmin/dateiliste/_publikationen/reha_vereinbarungen/pdfs/Empfehlung_neurologische_Reha_Phasen_B_und_C.pdf
7 https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/gehirn-nerven/schlaganfall/rehabilitative-massnahmen.html
8 Lawrence ES et al. Estimates of the prevalence of acute stroke impairments and disability in a multiethnic population. Stroke. 2001 Jun;32(6):1279-84. doi: 10.1161/01.str.32.6.1279. PMID: 11387487.
9 Lubart E et al. Progressing stroke with neurological deterioration in a group of Israeli elderly. Arch Gerontol Geriatr. 2005 Jul-Aug;41(1):95-100. doi: 10.1016/j.archger.2004.12.002. PMID: 15911042.
10 Flach C et al. Risk and Secondary Prevention of Stroke Recurrence: A Population-Base Cohort Study. Stroke. 2020 Aug;51(8):2435-2444. doi: 10.1161/STROKEAHA.120.028992. Epub 2020 Jul 10. PMID: 32646337; PMCID: PMC7382537.
11 https://register.awmf.org/assets/guidelines/053-011l_S3_Schlaganfall_2023-05.pdf